BRUDERKRIEG


Ein Kurzdokumentarfilm von Felix und Julian Moser
Filmmusik von Hainbach Animationen von Nani Gutiérrez

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Kann man aus der Geschichte lernen? Wie funktioniert das gemeinsame Erinnern? Welchen Zweck hat Gedenken? Diese Fragen stellen die Protagonisten der Kurzdokumentation an den Zuschauer.

Eine kollektive Erinnerungskultur findet Ausdruck in Denkmälern, Gedenkfeiern und Festen. Diese erfolgt manchmal selektiv, kann verdrängt oder umgeschrieben werden. Seit dem Ende des Ersten aber besonders nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich in Deutschland, entgegen des kaiserlichen  oder nationalsozialistischen Heldentums,  ein pazifistisches Kriegsgedenken entwickelt. Der Soldat fällt nicht mehr als Held für sein Vaterland, sondern ist vielmehr Opfer eines Krieges. Der ursprüngliche Heldenkult ist aber immer noch präsent durch Denkmäler und Erinnerungstafeln, was oft zu einem ungewollten Kontrast der Inszenierung führt. Heutzutage gedenken Politiker der Toten auf beiden Seiten. Hinzu kommen hierzulande das post-nationale Element und der Europagedanke.

Anhand der  Erinnerungsfeiern „150 Jahre Deutscher Krieg“, gefilmt in den Gemeinden der ehemaligen bayrischen Kriegsverlierer, bietet diese Dokumentation einen Blick auf Tradition, Identität und Kriegsgedenken in Deutschland im Sommer 2016. Neben den Momentaufnahmen des Gedenkens zeigt die Dokumentation den Umgang lokaler Politiker mit aktuellen Entwicklungen in Europa wie Populismus, Nationalismus und Terrorismus. Eine Woche vor den Dreharbeiten kam es in der Region bei Würzburg und im nahen Ansbach zu zwei terroristischen Anschlägen.

Historisches Gedankenspiel:

Angetrieben von der Industriellen Revolution und dem Geist der Französischen Revolution, war die Zeit vom Ende der 1840er bis Ende der 1870er Jahre  gekennzeichnet von nationalen Einigungskriegen bzw. Bürgerkriegen in Europa und den Amerikas. Krieg spielte eine zentrale Rolle bei der Neuorganisation von Nationen und Imperien. Beispiele hierfür sind, neben den Deutschen Einigungskriegen 1864-1871, der Amerikanische Bürgerkrieg, der Tripel-Allianz-Krieg als blutigster Konflikt Lateinamerikas oder die Italienischen Unabhängigkeitskriege mit Garribaldis Zug der Tausend.

Seit dem Wiener Kongress von 1815 gehörten die deutschen Länder dem Deutschen Bund an, der sich innerhalb der ehemaligen Grenzen des Heiligen Römischen Reiches befand. Während von einer Seite eine Großdeutsche Lösung, d.h. ein Nationalstaat mit Österreich gefordert wurde, legte der Krieg von 1866 die Grundlagen für die Kleindeutsche Lösung unter Preußen und ohne das besiegte Österreich fest. Die Bezeichnung Deutschland gilt seit jeher für genau diese Kleindeutsche Lösung. Die süddeutschen Kriegsverlierer und ehemaligen Verbündeten Österreichs waren seitdem an Preußen gebunden.

Der aktuell unter anderem gebrauchte Begriff „Bruderkrieg“ ergibt allerdings nur aus der heutigen Perspektive Sinn, waren beispielsweise die Soldaten Preußens für die Bayern schlichtweg Besatzer und Feinde. Theodor Fontane, der die Preußischen Truppen bei ihrem Marsch begleitete, berichtet von einer Szene in der sich ein bayerischer Jäger in einem Bad Kissinger Kurhotel verschanzt hatte: „Nimm Pardon“ riefen ihm die Westphalen zu; „ich will keinen preußischen Pardon“, rief er, ging mit dem Bajonett vor und wurde niedergemacht. Sein Heldenmuth hatte sich die Achtung seiner Feinde erzwungen.

Der preußische Sieg über Bayern und Österreich stellt gleichzeitig einen Sieg des Protestantismus über den Katholizismus dar. Die ab 1871 mit der Reichsgründung von Berlin regierten deutschen Länder wurden somit nicht nur preußischer sondern auch protestantischer. Der Waffenstillstand von 1866 zwischen der bayrischen und preußischen Armee wurde von General Edwin von Manteuffel in der Katholischen Pfarrei Eisingen unterzeichnet. In der dortigen Sankt Nikolaus-Kirche hängt im neuromanischen Saalbau ein Chorbogenkreuz Tilman Riemenschneiders aus dem Jahr 1500. Der nach innen gekehrte Blick Jesu, wie bei den meisten seiner Werke, wurde im Nachhinein oft als drohende Unruhe und als eine Aura des Protestantismus Luthers gedeutet. Damals stand Riemenschneider als Bürgermeister Würzburgs auf der Seite der revolutionären Bauern gegen Klerus und Adel, wofür er in Kerkerhaft gelangte.

 

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Can we learn from history? How does cultural memory work? For which reason do we commemorate? – These questions were asked by the protagonists in this short-documentary.

Monuments, memorial days and celebrations are all representations of collective memory culture. This collective memory can be selective, ignored or rewritten. After WWI but especially after WWII a prussian or national socialist heroism lost ground to a pacifist war commemoration. A soldier doesn’t die as a hero for his country; he is more of a victim of war. In the recently built Forest of Remembrance in Potsdam near Berlin, the german military’s central space of commemoration, they commemorate the “military members who lost their lifes in duty and during regular service”. The lost heroism is still present in public space through monuments which sometimes draws an unwanted contrast of staging like in one scene of the film. Influenced by Post-Nationalism and the european idea, german politicians nowadays commemorate the deaths on both sides.

The documentary is a view on identity, tradition and commemoration in Germany in the summer 2016. It was shot throughout the commemoration ceremony "150 years of Austro-Prussian War" in Bavaria. Beside snapshots of remembrance it shows the local politicians thoughts about recent developments like growing populism, nationalism and terrorism in Europe. A week before the event two terrorist attacks happened in the near cities of Ansbach and Würzburg.

Historical background:

Driven by the Industrial Revolution and influenced by ideas of the French Revolution, the era of the late 1840s to the late 1870s were shaped by national wars of unification or civil wars in Europe and the Americas. War played a key role in the reorganization of nations and empires like the German Wars of Unification 1864-1871, the American Civil War, the Triple-Alliance-War as the bloodiest conflict of Latin America or the Italian Independence Wars with Garribaldis famous “Expedition of the Thousand”.

The Austro-Prussian War of 1866 also called War of Brothers Since the Congress of Vienna in 1815, the German states belonged to the German Confederation and shaped essentially after the borders of the Holy Roman Empire. It was discussed whether Austria could belong to a new German federal state often labeled with the term 'Greater Germany'. After the Austro-Prussian War of 1866 also called the “War of Brothers”, the 'Lesser Germany', a federal state under leadership of Prussia and without Austria, was created. After that, the term lost its significance because since then 'Germany' is usually identified as this Lesser Germany. The southern German territories lost the war and their alliance with Austria to Prussia.

The term “War of Brothers” just makes sense from nowadays perspective. Back then Prussian soldiers were just invaders and enemies for the Bavarians. The Prussian realist writer Theodor Fontane, who traveled with the troops on their march, reports a scene from a skirmish in one of the famous Health Ressorts of Bad Kissingen. A Bavarian ranger, attacked by Prussian infantry, had entrenched himself in one of the hotel rooms: “Take pardon” the Prussians yelled to him; “I don’t want Prussian pardon”, he yelled, went on with the bayonet and was bashed. His valiance had compelled the respect of his enemies.

The Prussian victory over Austria and allied Bavaria can also be seen as a final victory of Protestantism over Catholicism. This “Lesser Germany” became not just more Prussian, it became more protestant as well. In the parish of Eisingen the peace treaty with Bavarian troops was signed by Prussian General Manteuffel. There in the hall of the Neo-Romanesque St. Nicholas Church hangs a quire arch cross, carved by the master Tilman Riemenschneider in 1500 AC. The introverted glance of his figures was often interpreted as a hint of trouble and an aura of Luthers upcoming Protestantism. Back then during the German Peasant’s War, Riemenschneider, as one of the council members, stood up against church and nobility wherefore he ended up in the city’s dungeon.